St. Petersburg

St. Petersburg, 1896

»Die meisten Gebäude waren von oben bis unten mit Ladenschildern zugehängt. An jeder Ecke standen Zeitungsjungen mit einem reichen Angebot an Gazetten, sie standen stumm und unbewegt da wie Laternenpfähle, ein flüchtiger Eindruck, der ihm doch nicht mehr aus dem Kopf ging. In ihrem Hotel hatte er einen kurzen Blick in den behaglichen Leseraum werfen können, in dem eine große Auswahl an ausländischen Zeitungen bereitlag. Als er eine entfaltet hatte, waren ihm sofort die dunklen Blöcke ins Auge gesprungen, wo ein eifriger Zensor jedes russlandkritische Wort sorgsam geschwärzt hatte.« (S. 311)
© Ilya Efimovich Repin, Nevsky Prospekt (1887)
The new Hermitage Building in St. Petersburg in the 19th century, lithograph after a drawing by Charlemagne

St. Petersburg, 1896

»Endlich endete der Newski Prospekt. Die Kaffeehäuser, die farbenfrohen Auslagen der Buchgeschäfte und Floristen sowie die glänzenden Schaufenster der Modehäuser wichen einem monumentalen klassizistischen Gebäudekomplex, dessen Ende Gryszinski nur erahnen konnte. Er hatte genügend Abbildungen in Reisejournalen gesehen, um zu wissen, dass dies die Eremitage war. Ein Gefühl der Ehrfurcht befiel ihn, als ihm klar wurde, wie viele weltberühmte Kunstwerke hinter dieser Fassade mit ihren Pilastern und Ziergiebeln warteten. Nataliya indes überquerte unberührt eine Brücke, die über die Newa führte. Der breite Fluss war voller Dampfboote, vollgepackt mit Reisenden, die aufgeregt in ihren roten Baedekern blätterten.« (S. 314f.)
© Valentin Alexandrovich Serov, Portrait of Henriette Girshman (1907)

Petrograd, 1916

»Am Bahnhof bestürmen ihn mehrere alte Frauen, die ihm getrockneten Fisch verkaufen wollen. Der intensive, salzige Geruch lässt wieder Übelkeit in ihm aufsteigen. Schnell geht er weiter und tritt kurz darauf auf einen breiten Boulevard, nach den Erzählungen seiner Eltern wohl der Newski Prospekt, auch wenn die prächtige Straße trostlos wirkt. Es stinkt nach Pferdekot, die Ladeneingänge sind verschmutzt. Doch die übergroßen Ikonen mit den Lichtern stehen immer noch in den Ecken der Arkaden. Eine still lächelnde Muttergottes leuchtet ihm bedeutungsvoll entgegen.« (S. 341)
© Nikolay Nikanorovich Dubovskoy, Flood in St. Petersburg (1903)

Petrograd, 1916

»Er spaziert die Newa entlang. Ein erster Herbstwind zieht durch die Straßen und wirbelt die dicke Schmutzschicht auf, die auf den Trottoirs liegt. Gelber Staub schwebt über der Newa, lässt Straßen und Häuser im Nebel verschwinden. Auf dem Newski Prospekt findet eine Volksdemonstration statt. Die Menschen marschieren auf der Straße und singen, Droschken und Automobile haben den Boulevard geräumt.« (S. 347)